
Review: Michael Segets
The Dead South mauserte sich in den letzten Jahren zu dem Referenzpunkt in Sachen Bluegrass. Vor allem durch den experimentellen Umgang mit Genre-Klischees sowie durch ihre Affinität zum Rock nehmen sie in diesem oftmals durch einen konventionellen Sound geprägten Genre eine Ausnahmestellung ein. Die Tendenz zum nervigen Gefiedel und Gezupfe, das im Bluegrass manchmal anzutreffen ist, umschiffen die Kanadier Nathaniel Hilts, Scott Pringle, Colton Crawford und Danny Kenyon auch diesmal.
Sieht man von den drei kurzen – meines Erachtens verzichtbaren – Instrumentals („Where Has The Time Gone“, „ Clemency“, Yore“) ab, bietet „Chains & Stakes“ zehn für die Band typische Tracks. Insgesamt gibt sich The Dead South etwas weniger experimentierfreudig als beispielsweise auf ihren Coverprojekten „Easy Listening For Jerks“ (2022). Eine Ausnahme bildet das expressive Zwischenspiel mit kraftvollen Backgroundrufen bei „Tiny Wooden Box“, dem zunächst auffälligsten Stück des Albums. Der Song wurde zu Recht als erste Single mit Video vorab herausgegeben.
Die Rock-Attitüde, die die Band gelegentlich an den Tag legt, blitzt zwar lediglich bei „Completely, Sweetly“ auf, dennoch haben es die Songs in sich. Wie üblich spielen The Dead South mit Rhythmus- und Tempowechseln wie beim Opener „Blood On The Mind“, das nach bluesigem Anfang Fahrt aufnimmt. „A Little Devil“, die zweite Auskopplung, unterbricht den Galopp im Zwischenspiel, um dann wieder loszulegen. Das Banjo von Colton Crawford treibt die Tracks voran – so auch auf „20 Miles Jump“ sowie „The Cured Contessa“. Beim letztgenannten Song zeugt die Idee, eine Obsession für Frühstücksspeck in den thematischen Fokus eines Textes zu stellen, schon von einer gewissen Originalität und Humor.
Die Lyrics zu verfolgen, macht bei The Dead South sowieso Sinn. So bieten auch „Son Of Ambrose“ oder „Father John“ feines Storytelling. Beide Titel sind Country-Nummern – „Son Of Ambrose“ eher hufeisenschwingend, „Father John“ in einer balladesken Ausprägung. Mit „A Place I Hardly Know“ findet sich noch eine getragene, tief gesungene Ballade, die neben den bereits angesprochenen Instrumentalstücken etwas Tempo aus dem Longplayer nimmt.
„Yours To Keep“ zeugt erneut von der Qualität des Quartetts, das gekonnt ausgefeilte Rhythmusarbeit, mit melodischen Schlänkern und einprägsamen Chorus verbindet. Diese Stärke spielt The Dead South auf vielen Tracks des neuen Albums aus, das dem prämierten „Sugar & Joy” (2019) in nichts nachsteht. Die Band bestätigt mit „Chains & Stakes”, dass der Hauptsitz des modernisierten Bluegrass‘ zurzeit nördlich der Vereinigten Staaten von Amerika liegt. Im Mai und Juni ist The Dead South in Deutschland unterwegs und wird bei einigen Auftritten von Corb Lund, einem kanadischen Landsmann, supportet.
DevilDuck Records/Indigo (2024)
Stil: Bluegrass
Tracks:
01. Blood On The Mind
02. Yours To Keep
03. 20 Miles Jump
04. Where Has The Time Gone
05. A Little Devil
06. Son Of Ambrose
07. Clemency
08. Completely, Sweetly
09. A Place I Hardly Know
10. The Cured Contessa
11. Tiny Wooden Box
12. Yore
13. Father John
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